Patienten

Phagen als Alternative zu Antibiotika: Was Patienten wissen sollten

Liebe Patienten, liebe Angehörige,

mit Hilfe unseres Netzwerks Phage Germany entsteht im Saarland gerade das erste ambulante Phagentherapiezentrum in Deutschland. Ärzt+innen aller Fachrichtungen kümmern sich dann um die Behandlung von bakteriellen Infektionen speziell mit Bakteriophagen. Mit Bakteriophagen können Bakterien bekämpft werden, die gegen die herkömmlichen chemischen Antibiotika (multi-)resistent geworden sind. Auch bei Kontraindikationen oder Allergien gegen chemische Antibiotika sind Bakteriophagen eine Behandlungsalternative. Besonders empfehlenswert ist eine Antibiose mit Bakteriophagen, wenn das natürliche Mikrobiom des Patienten erhalten bleiben soll. Dadurch kann die Ausbreitung einer Pilzinfektion als typischer Folge einer Behandlung mit chemischen Antibiotika evtl. vermieden werden. Die Ärzt+innen dieses Netzwerks werden sich anhand von internationalen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, insbesondere Anwendungsstudien, über den Stand der Wissenschaft unterrichtet halten und auch selbst Anwendungsstudien durchführen, um die Sicherheit der Behandlung jederzeit zu gewährleisten.

Solange in Deutschland noch kein Labor eine Herstellungserlaubnis für Bakteriophagen hat, werden die Phagenzubereitungen aus dem Ausland importiert, vornehmlich vom ELIAVA-Institut inTiflis/Georgien. In Eilfällen (z.B. drohende Sepsis, Infektionen von Hüftgelenksendoprothesen, Herzklappen u.a.) beziehen wir ganz speziell für den Patienten individuell hergestellte Phagenzubereitungen vom Queen-Astrid-Military-Hospital (QAMH/KAMH) in Brüssel. Der Import erfolgt jeweils durch die (Kinder-)Klinik selbst bzw. durch die klinikversorgende Apotheke, in der ambulanten Versorgung durch eine Apotheke auf Verordnung Ihrer behandelnden Ärztin / Ihres behandelnden Arztes.

Anlässlich des akuten Versorgungsnotstands für antibiotikahaltige Säfte für Kinder bemühen wir uns derzeit bei den zuständigen Behörden um eine Import-Sondergenehmigung nach § 79 AMG für Bakteriophagen-Fertigarzneimittel aus Tiflis/Georgien für Kinderärzte, insbesondere in der Kinder-Onkologie. Wir werden Sie an dieser Stelle informieren, sobald diese vorliegt.

In der Zwischenzeit wenden Sie sich gerne über das Kontaktformular auf dieser Website oder über unsere E-Mail-Adresse „[email protected]“ direkt an uns, wenn Sie Hilfe brauchen; unsere Ärzt+innen coachen Ihre behandelnde Ärztin / Ihren behandelnden Arzt gerne, leiten sie durch den Beschaffungsprozess und geben auch eine Anleitung für die Behandlung selbst (Darreichungsform, Dosierung, Dauer, Beobachtung).

Die Kosten für den Wirkstoff müssen Sie derzeit noch selbst bezahlen. Die Ampullen kosten ca. € 35,-/Stück à 10 ml; in der Regel benötigt man 10 Ampullen. Hinzu kommen die Apothekengebühr und die Kosten für den Import. Selbstverständlich können Sie bestimmte Phagenzubereitungen im Internet auch privat kaufen. Stimmen Sie das aber bitte mit Ihrer behandelnden Ärztin / Ihrem behandelnden Arzt ab. Nur in bestimmten Fällen sind die Krankenkassen verpflichtet, die Kosten zu übernehmen (sog. „individueller Heilversuch“). Das ist der Fall, wenn Ihre Infektion auf die herkömmlichen, chemischen Antibiotika nicht mehr anspricht oder eine Kontraindikation oder Allergie besteht, und die Infektion sich ohne Behandlung weiter ausbreiten wird. Bitte sprechen Sie uns an, wir können Ihnen sagen, ob das in Ihrem Fall in Frage kommt, und welche Formalien dabei zu beachten sind. Gegebenenfalls helfen wir Ihnen bei dem Kostenübernahmeantrag gegenüber den Krankenkassen.

In der stationären Versorgung tragen die Kliniken die Beschaffungskosten im Rahmen der DRGs selbst. Allerdings können dadurch gleichzeitig die Kosten für die teuren Reserve-Antibiotika eingespart werden.

Bitte informieren Sie sich auch auf der Unterseite „Ärzte/Kliniken“ über die Indikation, die Wirkungsweise und die eventuellen Risiken einer Bakteriophagentherapie.

Die Beratung durch uns ist nicht gewerblich und daher kostenfrei.

Häufige Fragen zur Phagentherapie:

Wie funktionieren Bakteriophagen?

Bakteriophagen sind Viren, übersetzt: „Bakterienfresser„. Dabei fressen sie gar nichts: Sie infiltrieren ihr spezifisches host-Bakterium, injizieren ihre eigene DNA in das Bakterium und veranlassen es so zur Produktion von Millionen weiterer Phagen. Ist das Bakterium „voll“, bringen sie die Zellwand durch ein Lysin zum Platzen. Das Bakterium stirbt also ab, und setzt gleichzeitig millionen neu produzierter Phagen frei, die ihrerseits wiederum weitere Bakterien (desselben Typs!) infiltrieren und zerstören. Dieser Mechanismus ist vergleichbar mit einer explosiven Kettenreaktion. Die Keimbesiedelung wird daher sehr schnell angegriffen und ausgemerzt und die Patienten sind binnen weniger Tage a-bakteriell. Die verbleibenden Bakteriphagen werden vom Körper rückstandslos abgebaut – und sogar als Reservoir von Aminosäureketten verwendet und recycelt.

Wie wirken diese im Körper?

Bakteriophagen docken an der Oberfläche ihres speziellen Bakteriums an. Dann wird die Erbinformation, also die Bauanleitung des Phagen, in das Bakterium injiziert. Das Bakterium produziert dann aufgrund der Bauanleitung lauter neue Phagen. Sobald die Bakterienzelle mit Phagen gefüllt ist, platzt die Membran und Millionen Phagen werden in das umliegende Gewebe – bwz. je nach Gabe in die Blutbahn – freigesetzt. Diese „suchen“ sich weitere, artgleiche Bakterien und infizieren diese wiederum und vermehren sich erneut. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis alle Bakterien abgestorben sind. Bei idealen Bedingungen wird die Bakterienbesiedlung binnen weniger Tage vollständig beseitigt. Die verbliebenen Bakteriophagen werden vollständig vom Körper abgebaut und als Eiweißbaustein weiterverwendet.

Wo kommen Phagen vor?

Phagen werden in Abwässern und Bodenproben, Pfützen, Bachläufen etc. gefunden. Insbesondere die Abwässer von Krankenhäusern sind ein idealer Fundort, denn dort finden sich die klinik-spezifischen Bakterien und somit mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bereits passende Phagen. Sie werden von dort isoliert und nach einer speziellen Prozedur vermehrt und aufgereinigt, bevor sie zum Einsatz kommen können.

Phagen sind weltweit verbreitet und kommen überall dort vor, wo auch ihre Wirtsbakterien leben. Aufgrund der Tatsache, dass es etwa zehnmal mehr Phagen als Bakterien gibt, treten sie oft in sehr großer Anzahl auf. Zum Beispiel können in Seen bis zu 100 Millionen Phagen pro Milliliter Wasser gefunden werden, in Böden sogar bis zu 1 Milliarde Phagen pro Gramm.

Um mehr über Bakteriophagen und ihre Wirkungsweise zu lernen, lesen Sie im Buch der Virologin Prof. Karin Mölling nach, dort steht alles, was Sie zu Phagen wissen möchten: https://pfeil-verlag.de/wp-content/uploads/2020/11/PHAGEN-Faltblatt-v1.pdf

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Funktioniert das immer?

Nein, immer funktioniert es nicht. Zum einen ist es nicht garantiert, dass ein passender Phage gefunden werden kann. Gegen die häufigsten Bakterien gibt es aber in der Regel auch passende Bakteriophagen. Zum anderen verändern die Bakterien sich ständig und bauen Abwehr-Mechanismen gegen die Phagen auf. Das findet in der Natur ständig statt. So kann es vorkommen, dass man einen bestimmten Klebsiellen-Stamm in einer Wunde vorgefunden hat, und wenn das Antibiogramm und Phagogramm zu lange dauern, hat der Bakterienstamm sich schon wieder verändert und der Phagencocktail wirkt nicht mehr. Aber die Forscher+innen arbeiten bereits seit langem an der Veränderung von Phagen, so dass für bstimmte Veränderungstypen auch passende Phagen zur VErfügung stehen. Das QAHM fragt alle Phagenbanken der Welt ab, inklusive des Eliava-Insituts in Tiflis und des – herovrragend ausgestatteten – Leibniz-Instituts DSMZ in Braunschweig, um passende Phagen zu finden, die auf den vorgefundenen Keim abonniert sind.

Häufig wird empfohlen, die Bakteriophagentherapie mit einer Gabe von chemischen Antibiotika zu kombinieren. Denn manche Bakterien haben die Eigenschaft, einen sog. „Biofilm“ zu bilden, unter dem sich ein dicker Cluster von Bakterien bildet, zu dem die Antibiotika nicht durchdringen können. Bakteriophagen haben die Fähigkeit, den Biofilm, den bestimmte Bakterien bilden (z.B. staph. aureus), aufzulösen und für Antibiotika durchdringbar zu machen. allein nicht anschlägt, besonders erfolgreich kann die Bakteriophagentherapie sein.

Ist diese Therapie gefährlich und welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es?

Bakteriophagen wurden vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als „sicher“ eingestuft, da sie für den Menschen völlig ungefährlich sind https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_bakteriophagen-242975.html

Umso erstaunlicher ist es, dass die Bakteriophagentherapie als in der Natur vorkommende, Dr. Gina SUH von der Mayo-Klinik in Rochester, Minnesota, berichtete auf einem Kongress im Jahr 2021 von einer systematischen Analyse in den Jahren 2008 bis 2021. In diesem Zeitraum wurden 70 case-studies, 35 case-reports, 14 klinischen Studien und 20 Tierstudien systematisch analysiert. Allen war gemeinsam, dass keine nennenswerten Nebenwirkungen beobachtet werden konnten. Allenfalls wurde von

  • Fieber
  • Schwitzen
  • erhöhte Leberwerten

berichtet, die aber alle vorübergehender Natur und gut beherrschbar waren. Nur in einem Fall wurde von einem anaphylaktischen Schock berichtet, der aber ebenfalls gut beherrscht wurde.

Eine ernst zu nehmende Komplikation kann aber dann auftreten, wenn die Behandlung erst sehr spät einsetzt, wenn bereits ein massiver Befall von Bakterien vorhanden ist, wie z.b. bei einer fulminanten Sepsis. Denn mit der Zerstörung der Bakterien werden immer sog. Endotoxine freigesetzt, die den Körper überschwemmen und dann selbst zur Gefahr werden. Mit einer gewissen Menge von Endotoxinen wird der Körper fertig, und er reagiert nur mit den oben beschriebenen Symptomen. Endotoxine fallen schließlich immer an, wenn Bakterien zerstört werden, sei es durch die körpereigene Abwehr, sei es bei einer chemischen Antibiose. Das Problem bei Bakteriophagen ist, dass die Zerstörung der Bakterien sehr schnell und massiv vor sich geht. ähnlich wie bei einem (noch) gut wirksamen chemischen Antibiotikum. Bei einem massiven Anfall kann es zu einer Vergiftung des Körpers kommen, die medikamentös u.U. nicht mehr abgefangen werden kann (sog. „Endotoxinsturm“ oder auch „Herxheimer Syndrom“ genannt). Deshalb darf man nicht bis zum Eintritt in ein fulminantes Stadium der Sepsis abwarten, bevor man Bakteriophagen einsetzt, sondern sollte die Behandlung schon bei den ersten Anzeichen für eine beginnende, generalisierte Infektion ansetzen. Sie ist jederzeit zulässig.

Sind die Viren nicht gefährlich für die körpereigenen Zellen?

Nein. Bakteriophagen erkennen nur ihre spezifische Wirtszelle (den „host„) und können nur an deren Zellwand andocken und in die Zelle eindringen. Auf alle anderen Bakterien reagieren sie nicht, deshalb auch nicht auf das profitable menschliche Mikrobiom und schon gar nicht in menschliche Körperzellen. Phagen sind sozusagen die Corona-Viren für Bakterien.

Das hat den großen Vorteil, dass Bakteriophagen z.B. im Darm nur das auf sie passende, pathogene Bakterium (z.B. Clostridium difficile) angreifen, alle anderen Darmbakterien aber verschonen. Im Gegensatz zu chemischen Antibiotika, die gerade auch das lebenswichtige Mikrobiom im Darm vollständig zerstören, bleibt dieses bei der Bakteriophagentherapie vollständig erhalten. So können pathogene Keime, vor allem die antibiotika-resistenten Keime, sich nicht mehr verbreiten als sonst auch; auch eine Superinfektion mit hoch-toxischen und hartnäckigen Pilz-Kolonien wird dadurch vermieden.

Was passiert mit den Viren, wenn alle Bakterien abgetötet sind?

Viren haben einen relativ kurzen Lebenszyklus. Wenn sie keinen Wirt mehr finden, in dem sie sich vermehren können, werden sie vom Immunsystem erkannt und rückstandslos abgebaut. Sie werden sogar als Reservoir für Aminosäuren benutzt und „recycelt“.

Es gibt allerdings auch Phagen, die im Organismus überleben, ohne aktiv zu sein. Das hat dann den zusätzlichen Vorteil, dass sie aktiviert werden, sobald ihr spezifisches Bakterium wieder auftaucht. Der Körper ist gegen die nächste Infektion sozusagen „geimpft“.

Vorsicht bei Selbstmedikation!

Nur eine individuelle Untersuchung kann zu einer sicheren Diagnose und einer kurativen Therapie führen! Diese Seite informiert Sie über ein Gesundheitsthema, welches von allgemeinem Interesse ist. Phage Germany gibt Ihnen damit keine individuelle Therapieempfehlung, sondern möchte Sie generell über die Bakteriophagentherapie als neuartige Therapieoption bei bakteriellen Infektionen aller Art informieren. Die Phagentherapie ist zwar eine althergebrachte Behandlungsmethode; in Ermangelung einer ausreichenden Studienlage im Westen ist sie zwar zulässig, aber nicht evidenzbasiert im Sinne der modernen Medizin. Informationen von Phage Germany sind daher als Basis-Informationen für Patient+innen, Ärzt+innen und Apotheker+innen gedacht, nicht aber als Grundlage für eine individuelle Therapieentscheidung. Diese sollte ausschließlich von einer Ärztin / einem Arzt, einer Heilpraktikerin / einem Heilpraktiker oder einer Zahnärztin / einem Zahnarzt auf Basis einer sorgfältigen Diagnose und Indikation getroffen werden. Phage Germany möchte behilflich sein, die geringe Studienlage zu kompensieren, indem wir case-reports veröffentlichen und Therapeut+innen mit entsprechender Therapieerfahrung zusammenbringen. Patienten und Angehörige bitten wir, bei gesundheitlichen Beschwerden stets zunächst Ihre Ärztin / Ihren Arzt, Ihre Heilpraktikerin / Ihren Heilpraktiker und/oder Ihre Zahnärztin / Ihren Zahnarzt konsultieren udn diese an uns zu verweisen. Wir unterstützen sie bei der Phagensuche und mit Therapieempfehlungen durch erfahrene Phagen-Ärzt+innen.

Auf keinen Fall empfehlen wir eine Selbstmedikation.

Phagenzubereitungen aus dem Internet sind eher zufällig wirksam, weil sie nicht mit dem Ziel-Bakterium abgeglichen werden konnten; sie bieten keine Gewähr für die Reinheit, Sicherheit und Wirksamkeit des Präparates.