Bakteriophagentherapie gestern und heute
„Ihre Entwicklung begann vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren in der Morgenstunde des Lebens, als es noch nicht einmal Zellen gab“, schreibt Prof. Prof. h.c. Dr. Karin Mölling, die große Dame der Virenforschung, in ihrem Buch „Kampf den Keimen“, das bereits im Jahr 2020 im Pfeil-Verlag erschienen war und in alle Sprachen der Welt übersetzt wurde, über Viren. Viren sind keineswegs nur Feinde des Menschen: Sie leisten zu unserer Entwicklung und Gesundheit wesentliche Beiträge. Selbst unser Erbgut besteht inzwischen zu mehr als der Hälfte aus Viren-DNA, was uns u.a. vor viralen Infektionskrankheiten schützt, sodass wir daran heutzutage nicht mehr sterben, schreibt Professor Mölling.
Es gibt mehr Viren als Sandkörner auf der Erde und Sterne am Himmel, und
sie sind überall: Im Meer, im Boden, in der Luft, in Bachläufen und
Abwässern, auf der Haut und im Darm von Mensch und Tier. Sie gehören zu
unserem natürlichen Mikrobiom wie viele Bakterienarten auch. Ist das
Gleichgewicht gestört, und überwiegen deshalb bestimmte Bakterienarten,
werden wir krank.
Viren kennen nur einen Daseinszweck, nämlich sich zu vermehren. Aber nicht mal das können sie selbst, sondern müssen dafür Wirtszellen nutzen, in die sie ihre DNA transportieren, damit diese daraus neue Viren bauen. Sie sind also „Vermehrungsparasiten“. Sie vermehren sich auf Kosten von menschlichen, tierischen und/oder pflanzlichen Zellen und lösen dadurch Entzündungen bis hin zum Zelltod aus. Pocken-, Hepatitis-, Polio-, Grippe-, Aids-, Corona-Viren: All diese Viren benutzen zu ihrer Vermehrung menschliche Zellen, d. h., sie machen ihren Wirt richtig krank.
Anders die Bakteriophagen: Diese Viren nutzen für ihre Vermehrung nicht den Menschen, sondern ausschließlich – Bakterien (sog. „Bakteriophagen“). Jeder dieser Bakteriophagen hat dabei seinen speziellen Wirt, den er angreift; andere Bakterien, aber auch menschliche Zellen, werden nicht erkannt. Bei dem Reproduktionsprozess geht das Wirtsbakterium zu Grunde. Millionen neuer Viren werden dabei frei, die wiederum Millionen Wirtsbakterien aufsuchen, infiltrieren und zerstören. Dieser Prozess erfolgt wie eine Kettenreaktion. Die Wirtsbakterien entwickeln im Laufe der Evolution ihrerseits Abwehrstrategien, die sie gegenüber ihrem Virus resistent machen. Darauf können die Viren sich wiederum einrichten und sich so verändern, dass sie den Wirt weiterhin infiltrieren können. Das ist ein ständiger Prozess, der dafür gesorgt hat, dass das Gleichgewicht zwischen Bakterien und Phagen in der Natur über Milliarden Jahre erhalten blieb.
Da Bakteriophagen nicht humanpathogen sind, sondern nur ihr spezifisches Wirts-Bakterium erkennen und angreifen, können sie – ganz im Gegensatz zu den herkömmlichen Antibiotika – keinerlei Flurschaden an dem profitablen Mikrobiom des Menschen, z.B. im Darm, auf der Haut und in den Schleimhäuten anrichten. Sie werden daher heute wieder mehr und mehr zu Heilungszwecken in der Veterinär- und in der Humanmedizin eingesetzt, um pathogene Keime gezielt zu eradizieren, insbesondere – aber nicht nur – wenn diese Keime gegen herkömmliche Antibiotika (multi-)resistent geworden sind.
Frau Professor Mölling sorgt mit unermüdlichem Einsatz in Forschung und Politik für die Verbreitung der Phagentherapie und für einen Abbau von Vorbehalten in der Ärzteschaft gegen diese profitablen, hoch effizienten und völlig ungefährlichen Viren. Sie hat den Anstoß für das Projekt „Phage Germany“ und vor allem die Idee für die Einrichtung des case-management gegeben. Es ist ihr wie uns ein dringendes Anliegen, das verloren gegangene Wissen um die Wirkungsweise der Bakteriophagen möglichst schnell wieder zu verbreiten und zu nutzen, um mit einer modernen Phagentherapie möglichst vielen Patient+innen in Not helfen und gefährliche Infektionen schnell eingrenzen zu können.
https://moelling.ch/wordpress/tv-and-press/
Frau Professor Mölling haben wir viel Input und Anstoß zu verdanken; Ihr ist daher auch diese Webseite mit besonderer Verehrung gewidmet.